New Work: Ein überstrapazierter Trend mit viel Potenzial

Kaum ein Konzept wird in den letzten Jahren so bemüht wie „New Work“ mit seinen Maximen von Sinnstiftung und Wohlbefinden bei der Arbeit, die durch ein flexibleres und selbstbestimmteres Arbeiten erreicht werden sollen. Obwohl dieser Ansatz im Arbeitsalltag inzwischen omnipräsent ist, zeigt sich in der täglichen Praxis, dass viele Unternehmen bei der Umsetzung von New Work scheitern.

 Roman Gorovoy, Geschäftsführer des schwäbischen Mittelständlers ELECTROSTAR/starmix, und Prof. Dr. Uwe Schirmer, Wissenschaftlicher Leiter des Masters Personalmanagement und Wirtschaftspsychologie am DHBW CAS, schätzen den Trend aus akademischer und unternehmerischer Perspektive ein.

Roman Gorovoy kennt die Herausforderungen von New Work aus der eigenen Unternehmenspraxis: “Wenn Führungskräfte beispielsweise nicht leben, was sie – nach New Work – von den Teams verlangen und zu sehr in den alten Mustern von Kontrolle verbleiben, kann das Personal nicht selbstbestimmt und eigenverantwortlich arbeiten. New Work erfordert Vertrauen.” Ebenso können sich Mitarbeitende überfordert fühlen, wenn New Work den gewohnten Arbeitsalltag zu sehr aufrüttelt: „Manchen Menschen fällt es schwer, sich einzubinden und quasi zum eigenen Unternehmer in der jeweiligen Rolle zu werden. Das bringt Versagensängste mit sich und Stress. Unternehmen können New Work also nicht einfach verordnen, sondern müssen differenziert vorgehen”, betont Gorovoy.

Auch Prof. Dr. Uwe Schirmer plädiert für eine nuancierte Herangehensweise: „New Work ist eine Toolbox von Möglichkeiten, mit denen Unternehmen arbeiten können, um auf die strukturellen Veränderungen in der Arbeitswelt und die Anforderungen der jüngeren Generation nach mehr Teilhabe zu reagieren. Dies muss allerdings an die spezifischen Unternehmensanforderungen angepasst und von einer guten Kommunikation begleitet werden.”

Hierbei dürften aber, insbesondere bei krassen Maßnahmen wie der vieldiskutierten Vier-Tage-Woche, niemals die Nachteile aus dem Auge verloren werden. „Die empirische Datenlage der Statistiken zur Vier-Tage-Woche ist noch sehr gering. Es wird immer argumentiert, dass die Produktivität dadurch steigt. Auf der anderen Seite sind 10-Stunden-Tage sehr lang und können gegenteiliges Bewirken. Es werden noch einige Jahre Erfahrung notwendig sein, um die Fragestellung aus wissenschaftlicher Sicht eindeutiger einordnen zu können“, sagt Uwe Schirmer. Roman Gorovoy sieht bezüglich der Vier-Tage-Woche vor allem die innerbetriebliche Fairness gefährdet: „Am Produktionsband ist kein Homeoffice möglich, so entsteht unweigerlich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Administration und Produktion. Allein aus diesen Gründen ist die Vier-Tage Woche kritisch zu sehen.“

Sowohl aus Sicht der unternehmerischen Praxis als auch aus der akademischen Perspektiven plädieren Gorovoy und Schirmer dafür, den New-Work-Kerngedanken der sinnstiftenden Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen – denn darin liegt vor allem auch eine Chance, Unternehmensprozesse mit Blick auf bessere Ergebnisse optimaler zu gestalten.

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