Interview mit Prof. Dr.-Ing. Joachim Frech

Was waren Ihre Aufgaben an der DHBW?

Meine Aufgaben an der DHBW waren sehr vielfältig. Zunächst war ich Studiengangsleiter im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der DHBW Stuttgart. Dann habe ich mich in der Fachkommission Technik eingebracht, bis ich schließlich deren Vorsitzender wurde. Außerdem habe ich in diversen Gremien und Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Meine spannendste Aufgabe war aber die Planung und der Aufbau des DHBW Center for Advanced Studies (DHBW CAS).

Wie sah der Aufbau des DHBW CAS aus? Erzählen Sie ein bisschen etwas über die Anfänge!

Die erste Idee war, ein Masterangebot zu entwickeln, das dem Bachelormodell ähnelt, also weiterhin zwischen Theorie und Praxis wechselt, jedoch mit einem anderen Zeitmodell. Dass der Master für jede und jeden so flexibel und individuell anpassbar ist, das hat sich erst nach und nach entwickelt.

Wir haben damals von den Studierenden und den Dualen Partnern die Anregung bekommen, dass es sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse gibt, vor allem bei den Studieninhalten. Das wurde aufgegriffen und in ein Konzept gegossen, das bis heute die Basis für den Dualen Master darstellt. Die Anzahl an wählbaren Modulen ist dann organisch gewachsen und ich bin stolz, dass die Studierenden bis heute von dieser Modulvielfalt profitieren. Im bundesweiten Vergleich mit gebührenfinanzierten Institutionen sind wir unglaublich groß und können sehr stolz auf uns sein.

Ich muss aber zugeben, dass wir am Anfang den organisatorischen Aufwand unterschätzt haben, den die hohe Flexibilität des Studienmodells mit sich bringt. Auch den personellen Aufwand für die Betreuung der Studierenden haben wir nicht richtig bedacht. Darunter haben anfangs insbesondere die Kolleg*innen in den Studiensekretariaten gelitten.

Was unterscheidet aus Ihrer Sicht den dualen Bachelor vom dualen Master?

Die offensichtlichste Unterscheidung sind das Zeitmodell und die inhaltliche Flexibilität. Diese ermöglichen es, ganz genau auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden und der Dualen Partner einzugehen. Die Rolle der Dualen Partner ist im Master eine ganz andere, als in den Bachelorstudiengängen. Unternehmen wollen ihre Mitarbeiter*innen gezielter für spezielle Aufgaben weiterentwickeln, und genau das bietet der Duale Master.

Was ebenfalls wichtig ist: Die Masterstudierenden bringen – im Gegensatz zu den meisten Bachelorstudierenden, die erst am Anfang ihres Berufslebens stehen – schon Berufserfahrung mit und haben prägnantere Vorstellungen und Wünsche, wie ihr Studium aussehen soll und welche Inhalte sie erwarten. Denen muss der Duale Master Rechnung tragen. Resultierend aus dem Studienkonzept gibt es keine geschlossenen Kursgruppen mehr. Dadurch lernen die Studierenden im Studium viele unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen kennen. Dieser Faktor des Netzwerkens ist für die berufserfahrenen Studierenden sehr wichtig, da sich in jeder Lehrveranstaltung neue Netzwerkmöglichkeiten ergeben.

Für Dozent*innen ist der Duale Master auch eine große Bereicherung: Sie treffen auf qualifizierte Studierende, die sich in die Lehrveranstaltungen einbringen, den Austausch bereichern und die Dozierenden ebenso herausfordern, wie das umgekehrt der Fall ist. Es findet definitiv ein Wissenstransfer in beide Richtungen statt.

Was macht die DHBW aus Ihrer Sicht einzigartig?

Die DHBW zeichnet sich nicht nur durch akademisches Wissen und praxisnahe Lehrinhalte aus, sondern auch durch die hohe Relevanz der Dualen Partner: Sie gestalten das Studium und die Studieninhalte mit, schicken uns ihre Nachwuchskräfte – das ist einerseits herausfordernd, andererseits aber auch eine unglaubliche Bereicherung. Wir als DHBW müssen kundenorientiert nicht nur auf die Studierenden, sondern auch auf die Bedürfnisse unserer Dualen Partner hören. Das ist eine andere Geschäftsgrundlage als an Universitäten und anderen Hochschulen. Das Ökosystem, in dem die DHBW tätig ist, ist sehr anspruchsvoll.

Sie haben das DHBW CAS vor einiger Zeit verlassen, aber so ganz losgelassen hat die DHBW Sie nicht…

Das ist richtig, ich bin noch immer punktuell für die DHBW tätig und halte die DHBW Fahne hoch, sowohl im Inland als auch im Ausland. Der Austausch mit den DHBW Kolleg*innen ist mir weiterhin sehr wichtig.

Ich war viel im Ausland unterwegs und habe dabei eines gemerkt: Je mehr ich im Ausland unterwegs bin – ich war zum Beispiel in Kasachstan und Indonesien – desto mehr schätze ich, welch einzigartiges Modell die DHBW aufgebaut hat. Generell finde ich, dass das duale Konzept in Ausbildung und Studium, wie es in Deutschland praktiziert wird, einzigartig ist. Die gelungene Kombination aus Theorie und Praxis in Ausbildung und Studium ist ein echter Pluspunkt für die Studierenden, die Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft. Rein akademisch geprägte Hochschulkonzepte in anderen Ländern tun sich sehr schwer mit der Umsetzung von praxisorientierten Studienangeboten.

Mein klares Fazit: Echte, tiefgehende Dualität ist eine hohe Kunst. Die DHBW kann deshalb stolz auf ihr Studienkonzept sein.

Wie sehen Sie die Chancen für Weiterbildungsangebote, die Bachelor und Master ergänzen?

Ich bin sicher, dass der Bereich der Wissenschaftlichen Weiterbildung an Bedeutung gewinnen wird und eine gute Ergänzung zu den Studienangeboten der DHBW ist. Die Teilnehmer*innen können aus einer Weiterbildung bei uns im Haus viel anwendbares Wissen mitnehmen und ihre berufliche Rolle dank neuer Kompetenzen qualifizierter ausfüllen. Die Chancen dieser anspruchsvollen praxisorientierten Weiterbildungen sind leider noch nicht bei allen Dualen Partnern angekommen: Weiterbildung sollte proaktiv umgesetzt werden, in Zeiten des akuten Bedarfs ist es meist schwierig und oft zu spät.

Was war Ihr schönstes Erlebnis am DHBW CAS?

Hm, es gab viele schöne Erlebnisse. Was mich immer gefreut hat, war, wenn Ideen von Studierenden und Dualen Partnern an mich herangetragen wurden, die ich dann im Haus weitergeben durfte und die motiviert von den Kolleg*innen aufgegriffen und umgesetzt wurden. Zu erleben wie diese externen Impulse, dann Erfolg am Markt haben, ist eine pure Freude und ein toller Beweis für die Vorteile gelebter Dualität . Ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Masterstudierenden heute Module aus anderen Studiengängen besuchen können. So kann beispielsweise der Techniker eine Wirtschaftslehrveranstaltung besuchen, weil ihn diese interessiert und im Berufsleben hilft.

Generell habe ich am DHBW CAS immer eine große Innovationsfreude erlebt: Alle sind bereit, sich auf Veränderungen einzulassen, gemeinsam zu diskutieren, sich gegenseitig zu überzeugen und mit Schwung an die Umsetzung zu gehen – und dann natürlich die Erfolge zu feiern. Jede Idee ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Ein besonders schönes Erlebnis fällt mir noch ein: Meine Verabschiedung fand ich sensationell, das war ein unglaubliches Erlebnis. So viele Leute, die mir während meiner Zeit an der DHBW begegnet sind und die an diesem Tag mit mir gefeiert haben.

Wo sehen Sie die DHBW in den nächsten 50 Jahren?

Die DHBW muss ihr Alleinstellungsmerkmal – das praxisnahe, duale Studium – bewahren. Die DHBW ist eine Exotin in der deutschen Hochschullandschaft, aber sie hat sich bislang sehr gut bewährt. Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, ob wir eine ganz normale Hochschule sein wollen, oder als Exot ein besonderes Studienmodell weiterentwickeln. Wenn wir auch in strategischen Fragen auf die Bedürfnisse unserer Dualen Partner hören, dann wird die DHBW auch stolz ihren 100. Geburtstag feiern können.

Herr Frech, wir bedanken uns herzlich für das Interview!